Unsere Zeit in Rumänien

Mein Mann bekam 2015 eine attraktive Stelle in Bukarest / Rumänien angeboten. Eigentlich nur für ein paar Monate, aber daraus wurden vier Jahre.
Wir hatten eine Wohnung mitten in Bukarest. Wir haben uns gegen eine Wohnung in einem gesicherten Areal, in dem hauptsächlich Ausländer leben, entschieden. Dies war ein guter Entschluss, da wir so das normale Leben und Arbeiten der Rumänen Tür an Tür mitbekommen haben.

Bukarest Innenstadt
Bukarest Innenstadt - ehemalige Börse

Bukarest hat viele Facetten: die Altstadt (mit Geldern der EU restauriert), die "Mahalas" (=Veedel) mit ihren verschiedenen Baustilen der letzten Jahrhunderte, die französischen Prachtbauten (erbaut um 1900), die kommunistischen Protzbauten (Betonklötze mit Säulen) und die Plattenbauten, in denen ein großer Teil der Bevölkerung lebt. Wir wohnten am Rande des ehemaligen armenischen Viertels in einem Haus aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts in einer schönen großen Altbauwohnung. Fußläufig waren die Altstadt, Restaurants und Bars gut zu erreichen.

Wir hatten unser Auto und die Fahrräder dabei. Am Anfang haben wir vorsichtig unseren Weg durch das Verkehrschaos gesucht, aber nach nur kurzer Zeit hat es Spaß gemacht, etwas „kreativer“ zu fahren und sich nicht starr an Vorschriften zu halten (die es natürlich auch im rumänischen Straßenverkehr gibt).

 

Freiheit und Demokratie

Um die Stadt und die Menschen besser kennenzulernen, haben wir Stadtführungen mit unterschiedlichen Themen gebucht (die meisten Touren haben wir mit unseren deutschen Gästen mehrfach unternommen). Hier eine Auswahl:

Kommunismus-Tour: unsere allererste Tour war mit einer Führerin, die eigene Erlebnisse und die ihrer Familie und Freunde zu den Fakten eingeflochten hat. Sie konnte alle Teilnehmer so in den Bann ihrer Erzählung ziehen, dass uns allen am Ende (als sie von der Revolution 1989 erzählte) die Tränen gekommen sind.

Mici - Spezialität in Rumänien
Mici - Spezialität in Rumänien

Tour über Märkte, durch Cafés , Restaurants und Geschäfte: diese Tour endet immer am großen Obor-Markt. Dieser riesige Markt ist beeindruckend. Hier findet man wirklich alles. Die Gruppe wird durch große Hallen nur mit Fleisch oder Gemüse geführt zu kleinen Ständen aus den Karpaten oder aus der nördlichen Region Maramures. Hier werden Spezialitäten (Käse, Wurst, Brot, Früchte) gekauft und gemeinsam verzehrt. Ganz zum Schluss geht es zum besten Imbiss der Stadt für Mici (kleine längliche Fleischbällchen) und ein oder zwei oder … Pálinka (doppelt gebrannter Schnaps) dürfen auch nicht fehlen. Noroc!

Verfallende Häuser in Bukarest

Auf der Tour durch das armenische Viertel (in unserer Nachbarschaft) sieht man viele tolle alte Häuser. Ein Teil ist mittlerweile restauriert, aber ein großer Teil der Häuser verfällt. Ich war jedes Mal wirklich traurig, diese tollen Häuser verfallen und zerstört zu sehen. Es ist leider nicht nur eine Sache des Geldes, dass die Häuser aufgegeben werden, sondern auch der nicht klar geregelten Besitzverhältnisse. Die rumänischen Politiker haben es nicht geschafft, nach der Revolution für klare Verhältnisse zu sorgen. Wir haben aber auch viele Geschichten über Korruption und Tricksereien gehört, in denen die rechtmäßigen Besitzer übers Ohr gehauen wurden. Immer wieder sind es Anwälte oder Banken, die die Stadtpalaste für einen Spottpreis kaufen und restaurieren.

synagoge-38879099.jpg

Sehr interessant und gleichzeitig auch traurig ist die jüdische Tour durch die Synagogen und die Orte, an denen vor 90 Jahren viele Menschen jüdischen Glaubens gelebt haben. Wie überall in Europa wurden auch sie deportiert und umgebracht. Es existiert mittlerweile wieder eine kleine Gemeinde. Die Rumänen haben mit dem damaligen König Carol II und General Ion Antonescu während des zweiten Weltkrieges mit den Deutschen gegen die Sowjetunion gekämpft. 1944 übernahm Carols Sohn König Mihai I das Zepter, ließ Antonescu spektakulär festnehmen und brach alle Beziehungen zum deutschen Reich ab. Rumänien verlor während des Zweiten Weltkriegs rund 378.000 Soldaten und Zivilisten. Zudem war die rumänische Regierung im Rahmen des NS-Völkermords an der Ermordung von etwa 270.000 rumänischen Juden aktiv beteiligt.

Friedhof der Eisenbahnwagons

Weitere Touren führten uns zu versteckten Orten, die man als Tourist normalerweise nie zu Gesicht bekommt. Diese Touren wurden aus Sicherheitsgründen leider mittlerweile eingestellt. Aber wir waren so glücklich und konnten in eine verfallene Munitionsfabrik, in das ersten Parkhaus Bukarests (um ca. 1900 erbaut, wird bald abgerissen), auf ein riesiges Gelände mit alten Eisenbahnwaggons, in ein altes Verlagshaus inkl. Druckerei und in verfallende Stadtpaläste eindringen.

Orthodoxe Kirche versteckt hinter Plattenbauten

Auf einer weiteren Tour haben wir große und kleine orthodoxe Kirchen besichtigt. Ceaușescu hat große Teile der Bukarester Altstadt abgerissen, um das Parlament und Gebäude für die Ministerien zu erbauen. Diesen größenwahnsinnigen Plänen mussten nicht nur Wohnhäuser, sondern auch Kirchen weichen. Ein Ingenieur konnte ein paar Kirchen retten, indem er diese ausgrub, hydraulisch anhob und auf Schienen verschieben konnte. Ein unglaubliches Projekt.
Viele Kirchen findet man in der Stadtmitte oft nur hinter Mauern oder großen Gebäuden. Absichtlich zugebaut und versteckt.

fort-fbd2b526.jpg

Die Tour über die Opfer des kommunistischen Regimes geht einem sehr unter die Haut. Diese Tour führt in ein altes Verteidigungs-Fort aus dem Jahre 1870, das zum Foltergefängnis umgebaut worden ist. Hier hat die Securitate (Geheimpolizei) jahrzehntelang Studenten und Regimegegner gefoltert. Nicht viele konnten die alten nassen Mauer des Forts lebend verlassen.

Graffitis in Bukarest

Die Graffiti-Tour hat uns eine Szene von jungen Künstlern nähergebracht, die sich kreativ mit den Missständen im Land auseinandersetzt. Auf dieser Tour haben wir Menschen kennengelernt, die Rumänien verändern wollen. Junge Menschen, die noch nicht den Mut verloren haben und versuchen, über Start-ups, eigene Handwerksbetriebe, kleine innovative Geschäfte, Cafés, Restaurants oder Bars Nischen zu finden, in denen sie überleben können. Wir haben tolle Projekte kennengelernt und den Mut und die Ausdauer dieser kreativen Menschen bewundert.

Bar im Winter auf einem Dach in der Altstadt von Bukarest

Und natürlich gab es auch eine Nachttour, bei der wir coole Bars und Restaurants kennengelernt haben. Oft an Orten, die wir nie gefunden hätten. Diese Tour hat uns mutig gemacht, so dass wir danach selber auf Entdeckungsreise gegangen sind: ein Restaurant auf dem Dach einer alten Fabrik, ein wunderschönes Cafe in einem alten Wohnhaus (wir dachten wirklich, dass wir in eine private Wohnung eintreten), eine Bar auf dem Dach eines Hauses in der Altstadt, die man nur mit einem versteckten Fahrstuhl erreicht oder eine Bar in einer ehemaligen Polizeiwache, in der auch die Securitate tätig war.

 

Wenn Sie irgendwann mal nach Bukarest reisen sollten, buchen Sie schon im Vorfeld eine Stadtführung. Es lohnt sich. Unser Kontakt für englisch-sprachige Touren:

www.local-hosts.com

Sagen Sie, dass Uli und Martina aus Köln Ihnen die Touren empfohlen haben :-)

 

 

ehemaliges Casino in Constanza

Nicht nur Bukarest ist eine Reise wert. Rumänien ist aufgeteilt in drei geschichtliche Regionen: Walachei, Karpaten (Siebenbürgen) und Moldau.

Zur Walachai gehören Bukarest, die Schwarz-Meer-Küste und auch das Donau-Delta. Am Schwarzen Meer findet man die große Hafenstadt Constanza. Etwas heruntergekommen, aber mittlerweile wird viel restauriert. Im Sommer hat diese Stadt besonders am Abend einen sehr netten morbiden Scham. Es gibt viele Küstenorte, die man im Sommer meiden sollte, wenn man kein Fan der lauten Musik ist.

Bootsfahrt im Donau-Delta

Umso mehr man aber nach Norden Richtung Donau-Delta fährt, umso ruhiger wird es. Im Donau-Delta sollten Sie unbedingt eine geführte Tour mit einem Boot buchen. Es geht morgens früh um 6 Uhr los. Die schönste Zeit ist, wenn die Sonne aufgeht, der Morgennebel langsam über dem Wasser hochsteigt und man an Kolonien von Pelikanen und Schwänen vorbeifährt. Am Ufer sieht man Wildpferde, und immer wieder zischt ein blauer Eisvogel am Boot vorbei. Die Menschen sind sehr gastfreundlich. Probieren Sie unbedingt den Fisch und die leckere Vorspeise Salată de icre (Fischrogen) mit Brot und Zwiebeln.

Sibiu, das ehemalige Hermannstadt

Die Karpaten sind geprägt von den deutschen Einwanderern, den Siebenbürgen. Die bekanntesten Städte sind Karlsburg, Kronstadt, Klausenburg, Hermannstadt und Schäßburg. Auch hier sollten Sie unbedingt Stadtführungen buchen. Es ist kein Problem, auch deutsch-sprachige Führungen zu bekommen.

Bauernhaus in den Karpaten

Aber bleiben Sie nicht nur in den Städten, sondern wagen Sie sich auch in die Berge. Hier finden Sie die Holzwagen, von Pferden gezogen, die Felder, die mit Pferd oder Ochsen gepflügt werden, die Wiesen, die mit der Sense gemäht werden, die Schäfer, die bei jedem Wetter bei Ihrer Herde schlafen, um diese vor den Wölfen und Bären zu bewachen. Machen Sie geführte Wanderungen, und sie werden beeindruckt sein von der Biodiversität der Landschaft. Sie werden auf jeden Fall Bären sehen.

Der "lustige" Friedhof in Maramures

Wenn Sie ganz in den Norden (fast an die Grenze zur Ukraine) fahren, gelangen sie in das Gebiet Maramures. Hier ist alles noch mal ursprünglicher. Bekannt ist die Holz-Schmalspur-Eisenbahn, der "lustige" Friedhof mit seinen blauen Kreuzen, die Holzkirchen und sicherlich auch die Gastfreundschaft und das gute deftige Essen.

Kloster Moldovita

Auf dem Weg dann ganz in den Osten Richtung Moldawien werden Sie die Moldauklöster finden. Diese sind ebenfalls sehr beeindruckend, da die Bemalung der Klöster aus dem 16.-18. Jahrhundert so gut erhalten ist. In den Klöstern leben immer noch orthodoxe Nonnen und/oder Mönche.

Salzbergwerk

Auch ein Besuch der Stadt Iasi (Nähe der Grenze zu Moldawien) lohnt sich. Von hier aus kann man Weinberge besuchen (ganz süßer Wein) und Salzbergwerke, die mich an die Höhlen von Moria (Herr der Ringe) erinnert haben.

Aus meinem anfänglich viel kürzer geplanten Bericht über Bukarest ist nun eine Reiseempfehlung für Rumänien geworden. Ich kann Ihnen einen Besuch wärmstens empfehlen. Wir haben uns in den vier Jahren stets willkommen gefühlt und viele sehr nette, hilfsbereite und gastfreundliche Menschen getroffen.

Ich wünsche Ihnen - nach der "Corona-Zeit" - eine schöne Reise!  

Mehr zum Lesen ...

Auf dieser Homepage haben wir einen Mitmachteil. Der Mitmach-Teil nimmt einen großen Raum ein und bitte machen Sie mit.

Eigene Berichte von Ausflügen oder Veranstaltungen in Much, ein altes „Mücher Rezept“ oder ein altes Foto lassen andere, die zu Hause bleiben müssen, am Gemeindeleben teilzunehmen.

Durch das „Schwarze Brett“ bietet sich Ihnen die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und gemeinsam etwas zu unternehmen.

Machen Sie mit … klicken Sie hier

Sie möchten selbst etwas beitragen?

Wenn Sie selbst etwas erzählen möchten, aber nicht wissen wie Sie es aufschreiben sollen, dann rufen Sie uns an: 02245 - 68 61 (Frau Baus) oder 02245 - 6824 (Frau Hofsümmer).

Wir hören uns Ihre Geschichte an und bringen sie für Sie hier "zu Papier".

Ihr Seniorenbüro

Zurück